Niemals vergessen!
Gegen Antisemitismus und den antizionistischen Konsens!
Mahnwache und Kundgebung
Sonntag, 9. November 2008 - 15:00 Uhr
Antifaschistischer Gedenkstein vor dem ehemaligen Aspangbahnhof
(1030 Wien, Aspangstraße 2/Platz der Deportierten)
unterstützt von: Initiative Niemals Vergessen, Israelitische Kultusgemeinde,
Café Critique, Aktion gegen den Antisemitismus,
Studienrichtungsvertretung Politikwissenschaft, Kommunistischer
Studentinnenverband/Linke Liste, Autonome Uni Antifa
u. a.
Heuer jähren sich die als "Reichskristallnacht" verharmlosten Pogrome
zum 70. Mal. Sie bildeten den Höhepunkt eines von antisemitischen
Ausschreitungen geprägten Jahres. Bereits rund um den umjubelten
"Anschluss" im März 1938 fanden erste Übergriffe statt, die durch
"wilde" Arisierungen ergänzt wurden. Im Raubzug gegen ihre jüdischen NachbarInnen spielten Hitlers willigste VollstreckerInnen
aus der "Ostmark" eine Vorreiterrolle.
Dieser überschießende Hass und Fanatismus veranlasste sogar die zentralen
Nazi-Stellen zu Maßnahmen, um die Drangsalierungen und Enteignungen der
Jüdinnen und Juden in "ordentliche" Bahnen zu lenken. Nicht zufällig
wurde danach Wien zum Exerzierfeld für immer weiter gehende Maßnahmen zur
"Endlösung der Judenfrage".
In diesem antisemitischen Klima konnten Eichmann und seine Männer ihr perfides
System zur Ausraubung und Vertreibung der jüdischen Bevölkerung
perfektionieren. In der "Ostmark" konnten sie auch auf ein riesiges
Reservoir an fanatisierten und gleichzeitig ganz gewöhnlichen Männern und
Frauen zurückgreifen: In einem überdurchschnittlichen Ausmaß stellten sie das
Vernichtungspersonal in den Todesfabriken.
Die Nazi-Propaganda versuchte, den Pogrom als "spontane" Antwort der
Bevölkerung auf die Ermordung eines deutschen Diplomaten darzustellen. Wenn der
"Startschuss" zum November-Pogrom auch vom Propagandaminister gegeben
wurde und es vor allem Nazi-Parteigänger in Zivil waren, die sich als
Brandstifter, Plünderer, Folterer und Mörder betätigten: Ohne Beteiligung oder
zumindest Duldung durch die aggressiv antisemitische Volksgemeinschaft in der
"Ostmark" hätte der Pogrom keine derartige Dynamik entfalten können.
Alle, die in den Wochen und Monaten davor von den NS-Behörden wegen den
"wilden" Arisierungen und Übergriffen zur Ordnung gerufen wurden,
durften nun endlich ihrem Hass freien Lauf lassen. Dies geschah in der
"Ostmark" in einem Ausmaß, dass die Nazi-Behörden Schwierigkeiten
hatten, den rasenden Mob wieder zur Räson zu bringen.
Während die SA in Zivil gemeinsam mit Angehörigen der Hitlerjugend und anderen
Parteiorganisationen jüdische Geschäfte und Wohnungen plünderte und zerstörte,
ging die SS, ebenfalls in Zivilkleidung, gezielt gegen Funktionäre jüdischer
Organisationen vor. Verhaftete Jüdinnen und Juden brachte man in Sammellager,
wo sie sadistischen Qualen ausgesetzt waren, bevor sie deportiert wurden. Ein
Gestapo-Agent aus Wien berichtete später, dass er und seine Kameraden
Schwierigkeiten gehabt hätten, die Menschenmenge davon abzuhalten, noch mehr
Jüdinnen und Juden tätlich anzugreifen. Auch seien die Nazi-Schergen immer
wieder zu noch mehr an Sadismus und Brutalität angefeuert worden.
In Wien wurden insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser meist durch Brände
zerstört. 27 Morde an Jüdinnen und Juden wurden von den Nazis bestätigt, 88
wurden schwer verletzt. 6.547 Jüdinnen und Juden wurden alleine in Wien
verhaftet, rund 3700 von ihnen wurden ins KZ Dachau verschleppt. Tausende
jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden zerstört. 4.083 jüdische Geschäfte
wurden gesperrt. Allein im "Kreis Wien I" wurden 1.950 Wohnungen zwangsgeräumt. Zahlreiche Jüdinnen und Juden wurden in den
Selbstmord getrieben. Eine Rückgabe der enteigneten Wohnungen und Geschäfte
fand nach 1945 praktisch nicht statt.
Diese Nacht vom 9. zum 10. November 1938 war kein Randphänomen der Geschichte
des Dritten Reiches, sondern ein Geschehen, dem zentrale Bedeutung zukommt. Die
Ermordung eines Nazi-Diplomaten und der darauf folgende Pogrom boten den
Machthabern einen willkommenen Anlass zur Durchführung und Legitimierung der
völligen Ausschaltung der Jüdinnen und Juden aus dem deutschen
Wirtschaftsleben. Am 12. November 1938 wurde in einer Sitzung im
Reichsluftfahrtministerium unter dem Vorsitz Hermann Görings eine vorläufige
Bilanz des Pogroms gezogen und die entsprechende Verordnung beschlossen, die es
Jüdinnen und Juden verbot, ein selbstständiges Unternehmen bzw. Handwerk zu
betreiben. In der gleichen Sitzung wurde die jüdische Bevölkerung verpflichtet,
eine "Sühneleistung" von einer Milliarde Reichsmark zu zahlen und für
alle während des Pogroms entstandenen Schäden aufzukommen.
Was danach kam, ist allgemein bekannt, wird jedoch auf Grund der Monstrosität
des Verbrechens, der Beteiligung so vieler ganz normaler (Groß)Väter/-Mütter
und des massenhaften Profitierens daran all zu oft verdrängt: Die entrechteten
und ihrer materiellen Grundlagen beraubten Jüdinnen und Juden wurden der
Vernichtung preisgegeben. Bis die Alliierten endlich das bis zuletzt auf
Hochtouren laufende Morden in den Todesfabriken und außerhalb dieser stoppten,
waren rund sechs Millionen Jüdinnen und Juden Opfer der antisemitischen Raserei
geworden.
Gegen die österreichische Normalität!
Entgegen der historischen Realität hat sich die Mehrheit der zumindest
mitgelaufenen ÖsterreicherInnen und ihre politischen
Eliten nach 1945 erfolgreich als die "allerersten Opfer" (BK Schüssel
im November 2000) gesehen und dargestellt.
Das hatte auch materielle Gründe: Mit dem Verweis auf den eigenen Opferstatus
konnten die Ansprüche der tatsächlichen Opfer und die Erinnerung an ihr Leiden
abgewehrt werden. Und noch die erst Ende 2005 begonnenen Zahlungen an
Überlebende und ihre Nachkommen werden von den Verantwortlichen als
freiwilliger Akt des guten Willens gesehen und nicht als zumindest teilweise
Erfüllung berechtigter Ansprüche. Dass daneben ein Kalkül hinter den späten und
spärlichen Zahlungen an die NS-Opfer steckt, räumte der damalige
FPÖ-Staatssekretär Eduard Mainoni 2004 in einem
Interview offen ein. Er gestand, dass die international isolierte ÖVP-FPÖ-Regierung
mit den Entschädigungszahlungen an ehemalige ZwangsarbeiterInnen
bloß an Reputation im Ausland gewinnen wollte ("Da haben wir uns
eingekauft.").
Begleitet war die Etablierung von Entschädigungs- und Nationalfond vom
öffentlich geäußerten Wunsch der Verantwortlichen, damit endlich einen
"Schlussstrich" unter die Vergangenheit ziehen zu können. Darin
treffen sie sich mit fast 30% der ÖsterreicherInnen,
die dafür plädieren, den "Holocaust zu vergessen". Neonazis machen
sich dann an die Exekution dieser Stimmung und verwüsten regelmäßig Denkmäler
für die Opfer der Shoah und jüdische Friedhöfe. Und
die Polizei schließt stets umgehend einen "politischen Hintergrund"
aus.
Das ist die österreichische Normalität, wie sie sich aktuell auch in der
Nationalratspräsidentschaft eines "Olympia"-Burschenschafters
ausdrückt. Martin Grafs Bundesbrüder pflegen unter anderem Bomben zu legen,
Holocaust-Leugner und andere Neonazis einzuladen, Großdeutschland in den
Grenzen vom September 1939 hochzuhalten, mit Gewalt auf Andersdenkende
loszugehen und gegen das Verbot des Nationalsozialismus zu agitieren. All das
disqualifiziert den FPÖ-Politiker nicht für eines der höchsten Ämter der
Republik, in welches ihn neben FPÖ, BZÖ und ÖVP auch immerhin drei
SPÖ-Abgeordnete gehievt haben.
Gegen den antizionistischen Konsens!
Teil dieser Normalität ist der sich immer offener artikulierende Hass auf die
Jüdinnen und Juden. Schon im ersten Halbjahr 2008 registrierte das Forum gegen
Antisemitismus mehr Vorfälle als 2007. Der Antisemitismus ist aber nicht auf
die extreme Rechte beschränkt: Auf der Linken tobt er sich heute als
Antizionismus aus. Der Hass auf Israel, den Staat der Shoah-Überlebenden,
verbindet die politischen Lager und die Generationen. Denn unabhängig von
seiner Politik erinnert Israel an das deutsch-österreichische Vernichtungswerk.
Zu den rechten und linken Feinden Israels gesellen sich fanatisierte Muslime,
die sich zumindest in ihrem Antisemitismus im Einklang mit der
Mehrheitsgesellschaft wissen. Die liberale Mitte mag da nicht nachstehen:
Anlässlich Jörg Haiders Amokfahrt war etwa im "Standard" zu lesen,
dass erst die Zurückweisung durch Israel ihn mit jenem Hass überflutete, der
ihn in die Nähe zu arabischen Despoten wie Saddam Hussein brachte.
Antisemitische Übergriffe werden zu "Konflikten" umgelogen.
Und wieder sollen die Opfer antisemitischer Gewalt selbst daran schuld sein!
Längst hat sich die europäische Öffentlichkeit damit abgefunden, dass jede
Synagoge, jede jüdische Schule und Organisation bewacht werden muss. In einem
falsch verstandenen Antirassismus wird zudem der militante Antisemitismus ethnisierter und marginalisierter
Bevölkerungsteile als entfremdeter Protest verharmlost. Kritik am
islamistischen Antisemitismus ist notwendig und muss zulässig sein! Diese als
"rassistisch" zu denunzieren, zeugt von Akzeptanz dieses
Antisemitismus.
Mit der OMV schickt sich nun ein staatsnaher Konzern an, mit einem Regime, das
Israel offen mit nuklearer Vernichtung droht, Geschäfte zu machen. Erst im
Dezember 2006 lud dieses Regime neonazistische und islamistische
Holocaustleugner nach Teheran. Umgekehrt wird hierzulande Vertretern des
Mullah-Staates der rote Teppich ausgerollt: Erst Ende Oktober konnte
Ex-Präsident Khatami an der Wiener Universität
sprechen. "Dialog" wird diese Propagandafreiheit für apokalyptische
Juden-, Schwulen- und Frauenhasser dann genannt.
Angesprochen auf die iranischen Vernichtungsdrohungen gegenüber Israel, berief
sich Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ)
jüngst auf die österreichische Neutralität und ging auf "große
Distanz" zum jüdischen Staat und seinen Anstrengungen, die drohende
nukleare Vernichtung abzuwenden. Diese Verantwortungslosigkeit straft all die
wohl tönenden Politikerreden über Auschwitz und die Lehren daraus Lügen.