Die Gemeinschaft der Tüchtigen.

Die Schlagwörter "Effizienz", "Flexibilität" und "Leistungsorientierung" stehen momentan hoch im Kurs. Sie nehmen einen zentralen Stellenwert in den Vorhaben der Regierung "Österreich zu modernisieren" ein. Schluß soll sein mit dem sozialstaatlichen Lenz und den leistungfeindlichen Strukturen. Alle diese Forderungen werden erhoben, um den Standort Österreich innerhalb marktwirtschaftlicher Sachzwänge zu sichern.

Das süße Geheimnis, daß in dieser Gesellschaft das Allgemeinwohl allerdings nicht das Wohl aller Einzelnen bedeutet, plaudern selbst die Vorantreiber dieser Forderungen aus. Wirtschaftliche Umstrukturierungen seien eben schmerzhaft, und natürlich blieben dabei Leute auf der Strecke. Die Güte des Allgemeinwohls wird nicht danach beurteilt, wie gut Menschen ihre Bedürfnisse befriedigen können, sondern anhand des Wirtschaftswachstums gemessen, womit gezeigt wird, daß Menschen nur als Mittel zur Produktion abstrakten Reichtums zählen und sich als solches beweisen müssen. Aber wer ein zukunftsorientiertes, also konkurrenzfähiges Österreich will, nimmt das ohne mit der Wimper zu zucken in Kauf.

Fitte Menschen für eine fitte Gesellschaft

Diese Fixierung auf ein Ziel, das nicht hinterfragt wird, und so Überlegungen unmöglich macht, die auf den Grund dieser Veranstaltung zielen, treibt auch auf den Unis eine objektive Verblödung voran. Immer lauter werden die Schreie der Studierenden nach Abbau von Hürden und einer leistungsorientierten Uni, die die Ausbildung effizienter machen, und so dem Allgemeinwohl besser dienen soll. Dieses Ziel erfordert Menschen, die bereit sind, dafür hundertprozentige Leistung zu bringen. Das wissen Studierende und sie wollen das auch. Sie sind erpicht auf angeblich wertvolle Zusatzqualifikationen und wünschen sich praxisorientierte Studien. Der Konkurrenz- und Leistungsdruck, der sie in der Arbeitswelt erwartet ist ihnen nicht genug, und so sähen sie ihn auch gerne an der Uni. Sie haben die Lektion, daß nur diejenigen eine Existenzberechtigung haben, die sich als Mittel für das Allgemeinwohl nützlich erweisen, so internalisiert, daß selbst der mieseste Job zu dem sie genötigt werden, zu einem Element in einem durchgestylten Lebensentwurf wird.

Es bleibt dabei: Arbeit gehört abgeschafft!

Der allgemeine Zwang zur Arbeit wird in dieser Gesellschaft umgedreht zu einer Forderung auf ein Recht auf Arbeit. Dabei wird der Fakt übergangen, daß es das Einkommen ist was mensch zum Leben braucht und nicht der Arbeitsplatz. Nichtsdestoweniger ist mensch sich nicht zu blöd, selbst die sinnlosesten und unnötigsten Tätigkeiten zu fordern, um denjenigen, denen keine Einkommensquelle zur Verfügung steht, zu zeigen, daß es ohne Arbeit nicht geht. Die Menschen haben den allgemeinen Arbeitszwang schon so in sich aufgesogen, daß sie den Gedanken jemals ohne diesen leben zu können sofort bei Seite schieben.

Arbeit ist unter anderem das, woran sich das geplagte und unterwürfige Subjekt seine Zugehörigkeit zu seinem Kollektiv beweist. Seine Existenz ist nicht Zweck alleine, zuerst muß sich seine Nützlichkeit für die Nation erweisen. Ohne diese Verstümmelung des Individuums zum Mittel fürs Allgemeinwohl hat es kein Recht zu sein. Und die Leute wissen das. Der Satz "Ich hab 40 Jahre geschuftet!" ist somit kein Haschen nach Mitleid, sondern die Feststellung, daß derjenige, der das nicht getan hat, überhaupt keinen Anspruch zu stellen hat.

Arbeit wird somit auch zu dem Mechanismus der bestimmt wer in der glücklosen und traurigen dafür aber rund um mit ihrem Elend zufriedenen Gemeinschaft der Tüchtigen seinen Platz findet. Außerhalb stehen kann sich niemand erlauben.

Die Müßiggänger schiebt beiseite!

Doch selbst mit diesem Elend findet der Wahn hierzu Lande kein Ende. Die neue Regierung hat beschlossen, daß auch jene am Geschenk der Arbeit Teil haben sollen, die vom Produktionsprozeß ausgeschlossen wurden. Dabei geht es aber nicht darum, für die Menschen eine neue Einkommensquelle zu erschließen. Das ist Zwangsarbeit zu einem Hungerlohn. So gesehen ist diese Zwangsarbeit die Radikalisierung des Gedankens, den ein Sozialexperte 1884 in Verbindung mit der Einführung der Sozialgesetze formulierte: " Der Gedanke, daß Müßiggang etwas schönes sei, soll nicht an Boden gewinnen, (...) der Arbeiter, der bei voller Gesundheit untätig ist, soll Entsagung üben". In der Gesellschaft der Tüchtigen reicht Entsagung allein nicht mehr: Wer rastet, der rostet, und so müssen laut neuem Regierungsprogramm Langzeitarbeitslose "ihre persönlichen Fähigkeiten aktivieren und sie in einen sinnvollen Arbeitsprozeß integrieren". "Gemeinwesenarbeit", das heißt unter anderem "Denkmalschutz, Pflege von Grünanlagen" verbunden mit "der Pflicht, diese Arbeit anzunehmen" ist die Vorstellung der Regierung von dem Scherflein, das sonst "Nutzlose" doch noch fürs Vaterland erbringen müssen. So wird die alte Bürgerweisheit, daß mensch im Leben nichts geschenkt bekommt, konsequent in die Realität umgesetzt.