Einladung zum Seminar der Studienvertretung Politikwissenschaft:
Erziehung zur Mündigkeit
24.-26.11.2006, St. Radegund bei Graz
Die Studienvertretung Politikwissenschaft veranstaltet auch heuer wieder für alle Interessierten ein Seminarwochenende unter dem Motto: Erziehung zur Mündigkeit. Das spielt auf den 1969 von Theodor W. Adorno verfassten gleichnamigen Text an. Denn diese schien ihm notwendiger denn je: Zwar war die Idee der Mündigkeit, die Fähigkeit des Individuums, sich seines Verstandes „ohne Leitung eines anderen zu bedienen“ (Kant) in der bürgerlichen Aufklärung entstanden, die Realisierung derselben aber blieb aus. Mit der bürgerlichen Gesellschaft, im Kampf gegen feudale Vorstellungen einer göttlich gegebenen, in Standeskollektiven eingeteilten Welt, wurde die Idee des autonomen Individuums geboren und seines Rechts auf den Verfolg des Glücks, den „pursuit of happiness“, wie er in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten zu finden ist. Aufgrund der sozialen Struktur derselben Gesellschaft aber musste diese Idee uneingelöst bleiben, ihr Anspruch scheitern. Die Folge dieses Scheiterns ist, dass die Geschichte bis heute weniger von mündigen Individuen, die aufgrund vernünftiger Überlegungen urteilen, sondern eher von „Schlafwandlern“ (so der Titel eines Romans Hermann Brochs) geprägt ist, die sich mit der ihnen eigenen Sicherheit an das jeweilige soziale Kollektiv anpassen, und sich diese Anpassung als „Schicksal“ oder ähnliches zurechtlegen – mit allen katastrophalen Folgen.
Dagegen forderte Adorno eine Erziehung ein, die genau das verhindert, die das Individuum stärkt und es ihm ermöglicht, auf die Voraussetzungen dieser Gesellschaft zu reflektieren, um diese theoretisch und praktisch zu kritisieren und endlich das bürgerliche Glücksversprechen einzulösen. Dieses Projekt der Kritischen Theorie, als deren Exponent Adorno gilt, ist – leider – alles andere als überholt und ist es wert, einmal genauer unter die Lupe genommen zu werden.
Am Seminar soll Fragen nach der Bedeutung von Mündigkeit, der Gefahr der Unterordnung unter Kollektive, der Möglichkeit von „Erziehung“ zum Widerspruch und zur Subversion etc. nachgegangen werden. Texte von Adorno und anderen kritischen TheoretikerInnen sollen gelesen, in Form von Radio-Gesprächen gehört und diskutiert werden. Am 6.11.2006 wird es um 19.30 im KOZ ein Vorbereitungstreffen geben, wo das Seminarkonzept noch einmal erklärt und alle anstehenden Fragen geklärt werden.
Textvorschläge:
Adorno, Theodor W.: Erziehung zur Mündigkeit (1969)
Erziehung zur Entbarbarisierung (1968)
Erziehung nach Auschwitz (1968)
Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit (1959)
Sexualtabus und Recht heute (1963)
Meinung Wahn Gesellschaft (1960)
Kulturindustrie, Aufklärung als Massenbetrug
Freizeit/Resümee über die Kulturindustrie
Agnoli, Johannes: Von der Kritischen Politologie zur Kritik der Politik (1990)
Unkostenbeitrag: voraussichtlich 20 € inkl. Unterkunft und Verpflegung
Anmeldung unter: stv.powi@oeh.univie.ac.at