Was ist Politikwissenschaft?

”Wer sich keine unnützen Gedanken macht, streut keinen Sand ins Getriebe.” (Theodor W. Adorno)

Vielen Leuten, die mit dem Gedanken spielen, sich diesem Studium zu widmen, spuken sehr vage Vorstellungen darüber im Kopf herum. Ein paar Gedanken dazu, und auch ein paar praktisch-organisatorische Bemerkungen zum Studium sollen hier etwas Licht ins Dunkel werfen.

Historisch gesehen, wurde das Studium in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge der reeducation, dem Versuch in Deutschland wenigstens demokratisch zivilisierte Zustände herzustellen, eingerichtet. In Österreich, wo mensch sich sicher war, so etwas nicht zu brauchen, da mensch ja sowieso das erste Opfer des deutschen Aggressors aus Braunau am Inn gewesen war, sollte es noch etwas länger dauern, bis 1968 ein Lehrstuhl für “Philosophie der Politik und Ideologiekritik” in Wien eingerichtet wurde. Sowenig sich an der Selbsteinschätzung der Österreicher-Innen geändert hat, soviel ist mit der – 1971 vom bloßen Lehrstuhl zur Studienrichtung mutierten – Politikwissenschaft passiert: Inzwischen ist das Institut eine der studentInnen-reichsten ( ca. 4500) der Fakultät für Grund- und Integrativwissenschaften. Auch die Lehrinhalte haben sich gewandelt: Was früher im Zentrum stand, Philosophie und Ideologiekritik, bildet heute eines von vier Teilgebieten der Politikwissenschaft: Politische Theorie und Ideengeschichte. Daneben gibt es Internationale Politik, Vergleichende Politikwissenschaft und Österreichische Regimelehre. Dieser Schwenk weg von Kritik der Ideologie hin zur am besseren Funktionieren des bestehenden Systems orientierten Politikberatung ist, nicht ganz unproblematisch, oder wie es der deutsche Politikwissenschafter (oder besser: Kritiker der Politik) Johannes Agnoli formulierte: “Die Kritik der Politik stellt vielmehr die Frage nach dem herrschaftssichernden Charakter aller Reformen und vergisst die Frage nach dem cui bono nicht und nach der Zweckrationalität irrationalen Verhaltens der politischen Macht. Im Mittelpunkt steht nicht die Klage und das klagen über die Untüchtigkeit der Protagonisten und die Lügenhaftigkeit des legitimatorischen Verfahrens (...); sondern die gegen das Prinzip, dass Herrschaft naturnotwendig und höchstens zu bändigen sei; und als Schlusserkenntnis, vom Richtstuhl der Vernunft ausgesprochen, dass Herrschen, dass das autokratische oder oligarchische oder parlamentarische Bestimmen über Gesellschaft allemal zu negieren sei – möge “die Form des Staates sein wie sie wolle” (Hölderlin) (...) Die Abschaffung des objektiven, durchaus interessierten, also besonderen Interessen zweckdienlichen Zwangscharakters der Gesellschaft: zu diesem Ende soll Politische Wissenschaft betrieben werden.”

Momentan sieht die Lage in dieser Hinsicht allerdings trist aus: Im neuen Universitätsgesetz ist kein Platz für solche – von deren Warte aus betrachteten – unnützen Gedanken. Das Gesetz bringt eine neue, umfassende Verbetriebswissenschaftlichung der Universitäten, StudentInnen kommen darin nur als zu regulierende und zu optimierende “Input-” und “Output-ströme” vor. Das dabei auch die noch gar nicht so alte Mitbestimmung der StudentInnen an Entscheidungen an der Uni auf der Strecke bleibt, liegt auf der Hand. Will mensch diesen Triumph der instrumentellen Vernunft verhindern, einer Vernunft, die nur am Bestehenden sich orientiert und so jede sich regende Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen mit dem Schlagwort “unrentabel” zum Schweigen bringen will, muss mensch sich wohl dagegen wehren.