Veranstaltungsreihe der Studienvertretung Politikwissenschaft

Why old Europe sucks?

Donnerstags um 19.30, NIG, 1., Universitätsstr. 7, HS III

 

 

19.10. Völkerrecht ohne Souverän?

Die Europäische Union als ideologischer Apparat

(Gerhard Scheit)

Staaten sind Monster. Die Metapher des biblischen Ungeheuers, die Hobbes für sie fand, wäre unter keinen, noch so friedlichen und demokratischen Umständen zu revidieren; sowenig wie Hegels Einsicht, daß zwischen derartigen Geschöpfen, „künstlichen Tieren“ sagt Hobbes auch, das Recht nicht wirklich existieren kann, sondern lediglich Gewaltverhältnisse. Gegenseitige Abschreckung vermag hier womöglich Verträge und die Einhaltung von Konventionen zu garantieren, aber nur, wenn die Konstellation der Staaten gerade günstig ausbalanciert ist. Die UNO, die darum nichts anderes als bloße Resultante wechselseitiger Bedrohung sein kann, wird jedoch gerne als globaler Gesetzgeber verklärt, dem es allein ums reine Recht ginge. Aus solcher Perspektive können die Staaten gar nicht mehr als Staaten wahrgenommen werden, sondern immer nur – analog zu den Bürgern innerhalb des Staats – als Subjekte, Völkerrechtssubjekte, oder eben ungeschminkt: als Völker.
Es wird getan, als wäre in der Welt von Staat und Kapital bürgerliches Recht ohne staatliche Macht möglich. Fokus dieser Halluzination ist offensichtlich die Einigung Europas, die entschieden in der Unentschiedenheit darüber verharrt, ob sie überhaupt einen eigenen europäischen Staat ausbilden soll – gleich den United States of America –, oder doch lieber nur ein Staatenbündnis – kleine UNO innerhalb der großen. Und so erscheint diese Union neuen Typs als ein gigantischer ideologischer Apparat zur Verdrängung von Souveränität. Die Gewaltenteilung, die sich auf Montesquieu beruft, wird derart auf die Spitze getrieben, daß sie, wenn es ernst wird im Sinn von Carl Schmitt, abgebrochen werden muß, weil sich ohnehin niemand mehr auskennt. Aus bewußter Division der Gewalten wird deren grenzenlose Dissoziation; und die Vermittlung der Instanzen, die Einheit ermöglicht, ist damit gerade im Ernstfall nicht mehr absehbar.

 

16.11. Volk gegen Staat – Zur Kritik der Ideologie des Europas der Regionen

(Florian Ruttner)

Als Ende August mit großem Tamtam eine Ausstellung in Berlin über das Heilige Römische Reich Deutscher Nation eröffnet wurde, war das erklärte Ziel der Intendanten, „die positiven Eigenschaften des Ordnungs-, Rechts- bzw. Verfassungs- und Friedenssystem“, wohlgemerkt eines feudalen Herrschaftssystems hervorzuheben. Mit diesem Versuch, alte, überkommene persönliche Herrschaftsverhältnisse zu glorifizieren sprechen sie allerdings nicht, wie sich leicht denken ließe, nur „Ewiggestrige“ und Monarchisten an. Denn angebliche „natürliche“ und „angestammte“ Ordnungskonzepte, die Individuen nach Völkern einteilen, haben Hochkonjunktur: In Europa gibt es sowohl Linke als auch Rechte, die sich für Völker aller Art begeistern und für diese zum Schutz gegen die als unnatürlich gescholtenen Staaten „Regionen“ fordern; sozusagen einen Völkerzoo. In dem Vortrag soll es darum gehen, diese Ideologie anhand einiger Beispiele darzustellen, die historischen Vorläufer dieser Gedanken zu benennen und zu zeigen, warum die sture Begeisterung für unterdrückte Völker einer der wichtigsten Ansatzpunkte zur Aushebelung jeglicher Vernunft und der vernünftigen Einrichtung der Gesellschaft ist.

 

14.12. Gestürmte Festung Europa

(Corinna Milborn)

Europa ist dabei, eine Festung gegen Einwanderung zu bauen: an den Außengrenzen mit Mauern und Stacheldraht, im Inneren durch unsichtbare Barrieren, die in gefährlicher Weise die Spaltung der Gesellschaft vorantreiben. Autorin Corinna Milborn hat das vielschichte Thema Flucht, Migration und Integration an der EU-Außengrenze, in den Ghettos von Paris und London, in spanischen Gemüsefeldern und in Flüchtlingslagern recherchiert. Ein Diskussionsabend über Europas irrationalen Zugang zu Migration, die Kosten einer menschenverachtenden Politik und die verzweifelte Lage von Menschen am Rand der europäischen Gesellschaft.

 

11.1. "Kosmopolitische Demokratie" vs. "unilaterale Weltordnungspolitik". Die "Friedensmacht Europa" und ihre linke Avantgarde

(Alex Gruber)

In der antiimperialistischen Frontstellung gegen die "unilaterale Weltordnungspolitik" (Jürgen Habermas) der USA, genau wie in der ihr zutiefst verwandten antizionistischen gegen Israel, gewinnt Europa die Hassobjekte, die es benötigt, um ein antikapitalistisches Image zu pflegen und sich der Dritten Welt als Dialog- und Bündnispartner anzubieten. Die USA werden mit der Abstraktheit und dem Universalismus identifiziert, die der Anhänger konkret-natürlicher Gemeinschaften am bürgerlichen Recht so hasst. Dieser Vergesellschaftungsform wird ein Europa entgegengestellt, das als "kosmopolitische Demokratie" (Antonio Negri) gegen die "oktroyierte und entwurzelnde Moderne" (Jaques Derrida) in Stellung gebracht wird.

Das europäische Modell, als dessen Avantgarde gerade die Linke auftritt, ist somit als regressives Projekt der Auflösung eines universalistischen Rechtsbegriffs sowie seiner Ersetzung durch eine weitgehend undefinierte Gerechtigkeit zu charakterisieren, welche nicht anders zu bestimmen ist, als in der wahnhaften Projektion eines Gegenprinzips bzw. Anti-Subjekts. In diesem erscheint alles inkarniert, was jene Gerechtigkeit permanent zu hintertreiben droht, an ihm kann kollektiv Rache genommen werden, für die als bewusste Demütigungen verstandenen Zumutungen der warenproduzierenden Gesellschaft. Das deutsch-europäische Modell ist damit zwangsläufig das Projekt der Forcierung einer weltweiten Bewegung, deren Grundlage das Ressentiment ist und die sich als krieglüstern-pazifistische "Friedensmacht" ausagiert.