Mit Freud.
Gesellschaftskritik und Psychoanalyse
Buchpräsentation mit
Renate Göllner, Alex Gruber, Ljiljana Radonic und Gerhard Scheit
WANN: 11.03.08, 19 Uhr
WO: Depot, Breite Gasse 3, 1070 Wien
Während Kritische Theorie, die sich auf die Psychoanalyse
stützt, stets an Freuds Orthodoxie festhielt, waren es vornehmlich Linke, die
dessen Lehre revidierten und sie mit verbalradikalem Gestus von einem radikalen
Medium der Aufklärung zu einem der praktischen Anpassung an die bestehenden
Verhältnisse machten. Diese Revision nahm bereits zu Lebzeiten Freuds durch
Alfred Adler und Wilhelm Reich ihren Ausgang und schlug sich nicht zuletzt in
der wohlwollenden bis emphatischen Rezeption des Nazisymphatisanten C. G. Jung
und des Heidegger-Verehrers Jacques Lacan nieder. Wesentliche Erkenntnisse der
Psychoanalyse, wie die Trieblehre, die Bedeutung des Unbewußten, die
Mechanismen von Verdrängung und Sublimierung sowie die infantile Sexualität,
sind auf die eine oder andere Weise zurückgenommen worden, wodurch zugleich die
gesellschaftskritische Wahrheit der Psychoanalyse entwertet wurde. Dadurch
gelang es, den „revolutionären Vorstößen der unbequemen Psychoanalyse“ (Freud)
den Stachel zu ziehen.
Gerade an der Zurücknahme der gesellschaftskritischen
Implikationen der Psychoanalyse zeigt sich auch heute ihre Verwobenheit ins
falsche Ganze. Freud hingegen bot Aufklärung über die Familie als Elementarform
der Gesellschaft, und er stärkte zugleich das Individuum, das aus der Familie
hervorgeht, gegenüber dieser Gesellschaft. Daran hat jede Kritik sich zu
messen, die ihrem, von Marx bis zur Kritischen Theorie geprägten Begriff
gerecht werden möchte und dem Zwang des repressiven Kollektivs die freie
Assoziation der Individuen entgegensetzt. Eine Psychoanalyse wie eine Linke
hingegen, die Repression, patriarchale Gewalt, Triebverleugnung und
Lustfeindlichkeit, Bereitschaft zum Opfer, Homophobie und Antisemitismus unter
dem Schlagwort Multikulturalismus rechtfertigen, sind auch am logischen
Endpunkt ihrer Freud-Rezeption angekommen. Die Aktualität der Freudschen
Analyse im Zeitalter des Suicide Bombing und der Ehrenmorde kann nur gegen sie
durchgesetzt werden.
Göllner,
Renate/Radonic, Ljiljana (Hg.): Mit Freud. Gesellschaftskritik und
Psychoanalyse, Ça ira-Verlag, Freiburg 2007, 200 Seiten, 13,50 €, ISBN:
3-924627-99-1
Erhältlich bei
Facultas (im NIG), ÖGB-Buchhandlung neben dem NIG, Buchhandlung Yellow
(Garnisongasse 7), sowie bei der Buchpräsentation
http://www.isf-freiburg.org/verlag/buecher/goellner.radonic-freud.html