Über Sexualität, Geschlecht und Identität im Spätkapitalismus Vortrag und Diskussion mit Lars Quadfasel (Hamburg)
Donnerstag, 11.3. 2004
20.00 Uhr
7*stern
Siebensterngasse 31
1070 Wien
In Talkshows und Therapien, in Safer-Sex-Kampagnen und in Hetzjagden auf die Kinderschänder und Lustmörder (oder auch, in autonomen Kreisen, auf den "Genossen Vergewaltiger") - unaufhörlich verständigt sich die Gesellschaft über das Begehren ihrer Subjekte. Wie verschieden auch immer im Detail, so terminiert das Gerede doch stets in der Setzung der Sexualität als die innigste Wahrheit: Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein. Es geht, ganz jenseits von Knechtung und Verächtlichkeit, ums Wesen und seinen Kern, um die sexuelle Identität als schicksalshafte Bestimmung des Individuums. Mit einem allgemein erwachten Interesse am lustvollen Austausch von Körpersäften, das bloß verkniffene Politkader einem madig machen wollen, hat das nichts zu tun. Gerade der Trend zur Verhandlunsgmoral, die scheinbar pragmatisch, ganz ohne Verklärung tiefer Gefühle, das Vergnügen billigt, worüber in Absprachen Einigkeit erzielt wurde, erweist sich als die zeitgemäße Abwehr des Unberechenbaren, des Triebhaften - ganz wie bei jenen, die sich mittels narzisstischer Körperpanzer oder symbiotischer Beziehungen zu schützen wissen. Insbesondere in den Nachfolgestaaten des "Dritten Reiches", das die Ströme des Eros auf Volk und Vaterland lenkte, hat sich das Ressentiment gegen Liebe & Libertinage über (und gerade durch) die diversen sexuellen Revolutionen hinweg gehalten: Der libidinöse Genuß des Fit-for-Fun-Loveparaders an seinem souveränen Selbst ist von dem einer neu-alten volksgemeinschaftlichen Formation nicht zu trennen. Bleibt die Frage, wie Kritik diesen sexuellen Verhältnissen im allgemeinen (und ihrer besonderen Ausprägung, dem nicht nur metaphorisch häßlichen Deutschen) zu begegnen hat - mit der Verachtung des Punkrockers oder mit dem Versprechen aus "Romeo und Julia"?
veranstaltet von:
Café Critique
Strv Politikwissenschaft