Vladimir Vertlib


Lesung und Diskussion


Donnerstag, 6. Mai 2004, 19.30 Uhr
im Republikanischen Club, Rockhgasse 1, 1011 Wien


Autobiographisch sind die Erzählungen und Romane Vladimir Vertlibs alle. Und
sind doch Fiktion.
1971 emigrierte Vertlib mit seinen Eltern aus der Sowjetunion, um dem
staatlichen und alltäglichen Antisemitismus zu entfliehen. Die Emigration
hatte mehrere Stationen: Israel – Österreich – Italien – Österreich –
Niederlande, wieder Israel – wieder Italien – wieder Österreich – die USA –
und schließlich endgültig Österreich. Von dieser Pendelroute, von den
verschiedenen Exilstationen und von den Menschen, die nicht in den Räumen,
sondern in den Gängen dazwischen leben, erzählen die Texte Vertlibs, etwa
der Roman „Zwischenstationen“ (1999).

Neben den Erfahrungen des Exils, sind es die Fremdheitserfahrungen und
Identitätssuchen jener Menschen, die ursprünglich dort zuhause waren, wo
Vertlib nach zehn Jahren der Migration als Fremder zufällig hingekommen war.
Sein jüngster Roman „Letzter Wunsch“ erzählt vom Leben des Gabriel Salzinger
und vom Tod seines Vater. Während der Vater zu seinen Lebzeiten Opfer der
Nazi-Verfolgung wurde, in Israel für die Unabhängigkeit des jüdischen
Staates kämpfte und später in Deutschland mit dem Alltagsantisemitismus
leben musste, galt er nach dem Tod im orthodoxen Verständnis nicht als Jude
und konnte folglich nicht am jüdischen Friedhof begraben werden. Vertlib
verwendet diese Gegensätzlichkeiten zwischen liberalem und orthodoxem
Judentum als Klammer für seine Erzählung über Identitäten und Religionen,
über Israel und die Diaspora und über den ganz normalen Antisemitismus der
ganz normalen ÖsterreicherInnen und Deutschen. Vladimir Vertlib verbindet
dabei Geschichten über das Leben des Vaters mit gegenwärtigen Phänomenen,
wie etwa dem des wachsenden Antisemitismus oder der weltweiten Kritik an
Israel: „Kritik von außen wird als Angriff, als Grenzüberschreitung
wahrgenommen,“ schreibt Vertlib in „Letzter Wunsch.“ „In früheren Zeiten war
Kritik meist wirklich der erste Schritt auf dem Weg zu Verfolgung und
Vernichtung. Erfahrungen mehrerer Jahrhunderte kann man nicht innerhalb
weniger Jahrzehnte vergessen.“

autobiographische infos:
http://www.literaturhaus.at/veranstaltungen/friedtage/buch/vertlib.html

Einleitung und Moderation: Stephan Hofer

Eine Veranstaltung der ÖH HuS-Doktorat und der Basisgruppe
Politikwissenschaft zum 59. Jahrestag der Zerschlagung der
nationalsozialistischen Herrschaft